Case Popolari
Institut für Gebäudelehre | TU Graz
Case Popolari
Guests: Bernhard Hafner, Andreas Lechner, Oliver Wildpanner
Photos: Institut für Gebäudelehre, BELT
Der Workshop Case Popolari bildete einen Rahmen innerhalb dessen wir gemeinsam mit den Studierenden prägende Wohnbauten aus unterschiedlichen Bauepochen der Stadt Graz genauer unter die Lupe nahmen. Am Ender der Workshopwoche wurden dann die Fassaden und öffentliche, oder halböffentliche Teilbereiche dieser Gebäude in einem Gerüst zueinander in Beziehung gesetzt.
Das Gerüst stellt den metaphorischen Rahmen dar, es steht für das Aufeinandertreffen ökonomischer und gesellschaftlicher Tendenzen die im Wohnbau wie in keiner anderen Bauaufgabe zum Ausdruck kommen und ist inspiriert von dem Projekt Case Popolare in Locarno von Luigi Snozzi & Livio Vacchini von 1965. Ein damals wegweisendes Projekt im sozialen, leistbaren Wohnbau der Schweiz und eines von vielen Beispielen die es schafften günstigen Wohnraum zu schaffen ohne dabei architektonische, funktionelle und ästhetische Prinzipien ausser acht zu lassen. Jede Epoche fand ihren eigenen Umgang mit dem Wohnbau. Wurde der Bau von Wohnungen um die Jahrhundertwende des 19. Jahrhunderts – die Gründerzeit – unter dem Gesichtspunkt der anwachsenden Stadtbevölkerung und dem Aufschwung der Mittelschicht betrieben, sollte mit dem sozialen Wohnungsbau ab den 1920iger Jahren, die Lebensqualität der Arbeiterschicht, die verstärkt in die Städte zog, verbessert und leistbarer Wohnraum angeboten werden. Mit Ende des 20. Jahrhunderts und zu Beginn der 2000er Jahre wurde überwiegend auf einen privatwirtschaftlichen Wohnungsmarkt gesetzt und es fand eine Verschiebung der Machtverhältnisses zugunsten des freien Marktes statt – der Wohnbau wurde als Form der Kapitalanlage entdeckt.
Jede dieser Epochen wird durch bestimmte Bauweisen gekennzeichnet. Sie werden durch den Einsatz verschiedener Konstruktionsmethoden, Materialien und Formen bestimmt. Charakteristische Elemente des Wohnbaus wie z.B. das Foyer, das Entree, Stiegenhäuser, Fassaden und Fenster unterscheiden sich je nach Zeitraum der Entstehung. Sie bilden sich auch im Raumangebot – z.B. im Vorhandensein gemeinschaftlich genutzter Räume im Innen- und Aussenbereich – ab und lassen so auf die zugrunde liegende gesellschaftspolitische Auffassung der Entscheidungsträger schließen. Bedürfnisse und Anforderungen der Gesellschaft werden in der Planung ablesbar und verankern das Wohnhaus in seinem (geschichtlichen) Kontext. Planen und Bauen heißt weitermachen, aufbauen auf dem Bestehenden und Bedingungen schaffen für nachfolgende Entwicklungen. Im Umgang mit Bestandsbauten ist eine intensive Auseinandersetzung mit dem Bauwerk erforderlich – angereichert mit einer neuen Vision für das Gebäude lassen sich Prinzipien für eine emanzipierten Planungs- und Bauweise entwickeln, die nicht auf den Totalabbruch und den Neubau ausgerichtet sind, sondern eine neue Nutzungsvielfalt und eine Neueroberung anstreben.
In einer Zeit der Energie- & Ressourcenknappheit sind wir auf der Suche nach einer zeitgemäßen Antwort im Umgang mit dem was unsere Städte zu einem großen Teil ausmacht – den Wohngebäuden. Was sind die Grundlagen ihrer Architektur? Im Rahmen der Lehrveranstaltung werden ihre Elemente und Bestandteile untersucht, verglichen und damit einhergehende Fragen an einen zukünftigen Umgang und notwendigen Weiterbau der Wohnarchitektur gestellt.